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Entwicklungspolitischer Wahlcheck 2006
 

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Antwort von:

Britta Brandau, Feministische Partei DIE FRAUEN (Landes- und Bezirkslisten)

Vorbemerkung:
In unserem Gründungsprogramm von 1995 hat unsere Bundespartei bereits mit dem Begriff „Welt-Innenpolitik“ die Aussage getroffen, dass wir uns innerhalb der Einen Welt begreifen. Weiterhin fühlen wir uns dem Leitbild „Gleichwertige Vielfalt“ verpflichtet, das Unterdrückung ausschließt und für Chancengleichheit auf allen Ebenen steht. Als Partei mit feministischen Ansätzen versteht es sich von selbst, dass Herrschaftskritik in allen Politikfeldern geübt wird. Herrschaft beruht auf dem Schaffen von Ungleichwertigkeit und Ungleichbehandlung und schließt sich mit Feminismus aus.

Mit dem Bewusstsein der Einen endlichen Welt werde ich als gewählte Kandidatin ein Senatsressort mit dem Titel „Senat für die Eine Welt“ mit den Referaten Frauen („major group“), Jugend („major group“), Migration, Bildung, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft fordern. Dies steht der Einrichtung einer „Stiftung Eine Welt“ nicht entgegen, da sich die Arbeit in dieser Stiftung aus der sog. „Zivilgesellschaft“, Vereinen und Verbänden aus NROs, bilden sollte, um gleichzeitig ein von politischen Machtverhältnissen unabhängiges Gremium zu schaffen.

Vor meinem beruflichen Umzug nach Berlin war ich aktiv in den Arbeitsgruppen „Arbeit“ und „Frauen“ der Agenda 21 in Frankfurt am Main. Ich fühle mich daher den Zielen von Rio de Janeiro, der Weltfrauenkonferenz von Peking 1995, Istanbul (Habitat II) sowie den UN-Konventionen zu Menschenrechten und zu Biodiversität verpflichtet.

1. Steuerung der Landesentwicklungspolitik
Das Thema ‚Globale Verantwortung wahrnehmen’ stellt sich in vielen Politikfeldern, insbesondere in den Bereichen Bildung, Migration/ Integration, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft. Eine Koordination findet aber kaum statt. Weiterhin fehlen ein Instrumentarium und die finanziellen Mittel, um diese Aufgaben konsequent umzusetzen.
1.1. Werden Sie sich für die Thematisierung der Entwicklungspolitik im Hauptausschuss und mindestens einmal jährlich im Plenum des Abgeordnetenhauses einsetzen?

Da wir eine eigene Senatsverwaltung „Eine Welt“ fordern, welche die o.g. Politikfelder beinhaltet, ist eine regelmäßige Behandlung und eine finanzielle Ausstattung gegeben.

1.2. Werden Sie sich für die Einführung einer „Entwicklungsverträglichkeitsprüfung“ einsetzen, um mehr Kohärenz und Transparenz über die entwicklungspolitischen Wirkungen des politischen Handelns in Berlin zu gewährleisten?

Ja, die Entwicklungsverträglichkeitsprüfung ist ebenso wie Gender Mainstreaming unumgänglich. Außerdem brauchen wir in Forschung und Wissenschaft und Unternehmen mit neuen Technologien eine Technologiefolgenabschätzung.

2. Entwicklungszusammenarbeit und zivilgesellschaftliches Engagement
Nach 1998 ging es finanziell gesehen mit der Berliner Entwicklungspolitik bergab. Das Sinken von Programm- und Projektförderung sowie institutioneller Förderung hängt hauptsächlich mit der Verlagerung mehrerer staatsnaher Entwicklungsorganisationen nach Bonn zusammen. Unter zusätzlichen Mittelkürzungen im Berliner Haushalt leidet aber auch die Informations- und Bildungsarbeit. Dies widerspricht den Erklärungen der Ministerpräsidenten, in denen dieser Bereich stets eine herausragende Stellung eingenommen hat.
Bereits 1970 wurde international das Ziel aufgestellt, 0,7% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe einzusetzen. Davon sind die Bundesregierung und das Land Berlin weit entfernt.
2.1. Werden Sie sich für die Einrichtung einer Landesstiftung Entwicklungszusammenarbeit einsetzen, die die entwicklungspolitischen Aktivitäten der Zivilgesellschaft dauerhaft absichert?

Ja, ich finde eine durch die Zivilgesellschaft gebildete und von wechselnden Machtverhältnissen im Senat unabhängige Stiftung sinnvoll.

2.2. Setzen Sie sich für die Formulierung eines Stufenplanes ein, mit dem die Mittel für Entwicklungspolitik auf Landesebene
bis zum Jahr 2015 schrittweise auf 0,7% des Bruttonlandeseinkommens gesteigert werden sollen?

Ja, es muss auf jeden Fall versucht werden. Dies ist ein Thema für den Bundesrat.

3. Globales Lernen
Globales Lernen ist inzwischen in den Rahmenlehrplänen verankert. Die Umsetzung ist jedoch nach wie vor unzureichend.
3.1. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die in den Rahmenlehrplänen festgeschriebenen Maßnahmen zum Globalen Lernen umzusetzen?

Globales Lernen muss bereits Pflichtfach im Studium für das Lehramt sein. Ich halte eine Fortbildung für LehrerInnen für nicht ausreichend. Leider enthalten die auf EU-Ebene beschlossenen Schmalspur-Studienabschlüsse wie Bachelor und Master diese Inhalte erst recht nicht. Schon seit unserer Parteigründung vor elf Jahren fordern wir Schulfächer wie Umweltlernen, Interkulturelles Lernen, Friedliche Konfliktlösungsmechanismen, Respekt vor Frauen, Demokratieprinzipien und –beteiligungsmöglichkeiten. Der Lehrkörper an Schulen sollte immer einen bestimmten Prozentsatz an anderen Kulturen und aus Ländern des Südens beinhalten. Ich halte einen fortlaufenden Austausch von LehrerInnen, insbesondere aus den Partnerstädten, für sinnvoll. Das Lehrpersonal anderer Länder kann im Wechsel mit NRO-VertreterInnen workshops in der von uns geforderten Ganztagsschule unterrichten.

3.2. Wie kann die nachgewiesene Kompetenz der Nichtregierungsorganisationen beim Thema Globales Lernen noch intensiver genutzt und finanziell gesichert werden?

Siehe Punkt 3.1. Die finanzielle Absicherung muss ein fester Posten im Bereich „Bildung“ sein.

4. Faires und nachhaltiges Wirtschaften
Als internationaler Standort ist Berlin an der Förderung der Außenwirtschaftsbeziehungen interessiert. Im Sinne einer globalen Verantwortung für alle Aktivitäten gehören dazu auch die Einhaltung internationaler Sozial- und Umweltstandards, die bislang jedoch nicht als Bedingungen für die Vergabe von Fördermitteln dienen.
Die positiven Wirkungen von Fairem Handel sind erwiesen. Der Bereich der öffentlichen Beschaffung ist von großer Bedeutung für die Verbreitung fair gehandelter Produkte.
4.1. Werden Sie sich für die Verknüpfung der Mittelvergabe der Berliner Außenwirtschaftsförderung mit der Einhaltung international vereinbarter Standards (z.B. ILO-Standards) und freiwilliger Verhaltenskodizes einsetzen?

Auf jeden Fall. Wobei die IAO-Standards Minimalstandards sind und freiwillige Verhaltenskodizes in fast allen Fällen bisher nicht eingelöst wurden und nicht mehr als Marketingstrategien sind. Im Übrigen ist ein Kriterium die Einhaltung der vorhandenen Konventionen. Derzeit müssen beispielsweise alle Produkte des Coca-Cola-Konzerns aus dem Angebot entfernt werden wegen der Verflechtung des Konzerns mit der Tötung von kolumbianischen Gewerkschaftern.

4.2. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Senat seine Beschaffungspolitik auf nachhaltige und fair gehandelte Produkte umstellt?

Ja. Nicht nur fair gehandelte Produkte. Im Kantinenbereich des ÖD und der Verwaltung kann eine Menge hinsichtlich der Verwendung regionaler und biologischer Produkte getan werden. Da die Armut unter Kindern zunimmt, halten wir eine Schulspeisung, die zudem noch gesund sein soll, für erforderlich. Bei der Ausstattung des Dienstleistungsbereiches und des gewerblichen Bereiches (z. B. Uniformen, Arbeitskleidung) sind außerdem die Kriterien der Clean Clothes Campaign anzuwenden.

5. Lokale Agenda 21
In der im Juni 2006 vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossenen Lokalen Agenda 21 wird der Senat aufgefordert, diese als Leitidee seiner künftigen Politik aufzunehmen und die aufgeführten Qualitäts- und Handlungsziele so schnell wie möglich umzusetzen.
5.1. In welcher Form werden Sie sich für diese Ziele einsetzen? Wo sehen Sie Ihre persönlichen inhaltlichen Schwerpunkte?

Ich halte ein eigenes Ressort (siehe oben) für notwendig, das die im Agenda-Forum beschlossenen Ziele - die ohnehin schon Kompromisse sind - umsetzen. Unerlässlich ist die dauerhafte Information an die Bevölkerung. Die Prinzipien der Agenda 21 und die bereits in Berlin geleistete Arbeit sind den Wenigsten bekannt. Das Bewusstein der Notwendigkeit muss auch in der Bevölkerung erst noch geschaffen werden. Ich wünsche mir, neben regelmäßigen Informationen an die Haushalte, mobile Busse, die mit VertreterInnen des Senats und der NROs in der Öffentlichkeit unterwegs sind und die Folgen politischen Handelns für die Welt und vor Ort darstellen.

6. Verantwortung für das Erbe der Kolonialzeit
Als alte und neue Hauptstadt hat Berlin vielfältige Verbindungen zur Kolonialzeit, die sich in Straßennamen, gesammelten Kulturgütern und nicht zuletzt im Umgang mit Menschen aus den ehemaligen Kolonien zeigen. Rassismus ist ein verbreitetes Problem in der Stadt. Die Städtepartnerschaft mit Windhuk bietet einen guten Ansatzpunkt, Versöhnungsarbeit mit den ehemaligen deutschen Kolonien zu fördern.
6.1. Welche Maßnahmen und Initiativen im Rahmen der Stadtentwicklung werden Sie unterstützen, um Berlins Verbindungen zur Kolonialzeit transparent zu machen?

Einsatz eines mobilen Geschichtsbusses, der über die Kolonialgeschichte und den verübten Völkermord und aktuelle Nazistrategien aufklärt. Die in Berlin lebenden Bevölkerungsgruppen wie z. B. die Hereros sind einzubeziehen. Ich unterstütze die Auswechselung von Straßennamen von Kolonialverbrechern. Diese sollte einhergehen mit einer umfassenden Aufklärung im betroffenen Kiez.

6.2. Welche Aktivitäten schlagen Sie vor, um die Städtepartnerschaft mit Windhuk mit Leben zu füllen?

Denkbar wäre ein gemeinsames Geschichtsbuch, ein Denkmal für die ermordeten Völker, Schulpartnerschaften, ein jährliches Musik- und Kulturfest im Wechsel zwischen Berlin und Windhuk, Wirtschafts- und Bildungsaustausch, Studienfahrten.

Kooperationspartner:
www.wfd.de

Diese Aktion wird gefördert vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED), dem Katholischen Fonds für weltkirchliche und entwicklungsbezogene Öffentlichkeitsarbeit, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Umverteilen! Stiftung für eine solidarische Welt.

Eine Aktion des Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlags (BER e.V.) - info@ber-ev.de