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Entwicklungspolitischer Wahlcheck 2006
 

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Antwort von:

Lucy Redler, WASG (Landes- und Bezirkslisten)

1. Steuerung der Landesentwicklungspolitik
Das Thema ‚Globale Verantwortung wahrnehmen’ stellt sich in vielen Politikfeldern, insbesondere in den Bereichen Bildung, Migration/ Integration, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft. Eine Koordination findet aber kaum statt. Weiterhin fehlen ein Instrumentarium und die finanziellen Mittel, um diese Aufgaben konsequent umzusetzen.
1.1. Werden Sie sich für die Thematisierung der Entwicklungspolitik im Hauptausschuss und mindestens einmal jährlich im Plenum des Abgeordnetenhauses einsetzen?

Ja. „Globale Verantwortung“ übernehmen bedeutet für uns als erstes allen rassistischen und nationalistischen Tendenzen eine Abfuhr zu erteilen. Gemeinsam mit den ImmigrantInnen organisieren wir den gemeinsamen Kampf gegen Rassismus, Arbeitslosigkeit, Lohn- und Sozialraub, gegen den Abbau demokratischer Rechte, gegen Militarismus und Kriege. Als Oppositionspartei im Abgeordnetenhaus werden wir als erstes den diskrimminierende Umgang mit den hier lebenden Flüchtlingen und ImmigrantInnen angreifen und gleiche Rechte für alle hier lebenen Menschen einfordern. In Berlin leben über 450.000 Menschen anderer Nationalitäten und 100.000 Menschen leben hier ohne Aufenthaltsstatus als „Illegale“. Wir kämpfen für ein uneingeschränktes Asylrecht, für Umwandlung von Duldungen in dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen. Wir fordern mit den Menschenrechtsorganisationen den Zugang zu Bildung (Schulen, Kitas) und zu medizinischer Versorgung un einen Schutz vor Lohnbetrug. Wir sind gegen Abschiebungen und fordern die Schließung des Abschiebeknastes in Köpenick. Wir sind für ein bedingungsloses Bleiberecht der von Abschiebung bedrohten Familie Aydin.

1.2. Werden Sie sich für die Einführung einer „Entwicklungsverträglichkeitsprüfung“ einsetzen, um mehr Kohärenz und Transparenz über die entwicklungspolitischen Wirkungen des politischen Handelns in Berlin zu gewährleisten?

1.2 Ich werde die Einführung einer „Entwicklungsverträglichkeitsprüfung“ unterstützen. Es muss z.B. aufhören, dass auf Baustellen des Senats legal und illegal ausländische Arbeiter zu Hungerlöhne schuften und die Firmen dadurch Extraprofite machen und im Falle der Aufdeckung von illegalen Beschäftigungen, die Arbeiter auch noch kriminalisiert und abgeschoben werden. Die beschäftigten ausländischen Arbeiter auf den Baustellen müssen alle Löhne und Arbeitsbedingungen nach den hier geltenden Tarifen erhalten.

2. Entwicklungszusammenarbeit und zivilgesellschaftliches Engagement
Nach 1998 ging es finanziell gesehen mit der Berliner Entwicklungspolitik bergab. Das Sinken von Programm- und Projektförderung sowie institutioneller Förderung hängt hauptsächlich mit der Verlagerung mehrerer staatsnaher Entwicklungsorganisationen nach Bonn zusammen. Unter zusätzlichen Mittelkürzungen im Berliner Haushalt leidet aber auch die Informations- und Bildungsarbeit. Dies widerspricht den Erklärungen der Ministerpräsidenten, in denen dieser Bereich stets eine herausragende Stellung eingenommen hat.
Bereits 1970 wurde international das Ziel aufgestellt, 0,7% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe einzusetzen. Davon sind die Bundesregierung und das Land Berlin weit entfernt.
2.1. Werden Sie sich für die Einrichtung einer Landesstiftung Entwicklungszusammenarbeit einsetzen, die die entwicklungspolitischen Aktivitäten der Zivilgesellschaft dauerhaft absichert?
2.2. Setzen Sie sich für die Formulierung eines Stufenplanes ein, mit dem die Mittel für Entwicklungspolitik auf Landesebene
bis zum Jahr 2015 schrittweise auf 0,7% des Bruttonlandeseinkommens gesteigert werden sollen?

Ich werde mich dafür einsetzen, dass Organisationen, die hier und vor Ort gegen die Ausbeutung und Unterdrückung und für eine Verbesserung der Lebensbedingungen in der neokolonialen Welt kämpfen, Gelder und Räume vom Senat bekommen. Meiner Meinung nach können die menschenunwürdigen Verhältnisse in den unterentwickelten Ländern aber nicht über „Entwicklungspolitik“ abgeschafft werden. Ein Kind das am Hunger stirbt ist Mordopfer des globalisierten Kapitalismus. Laut dem UN-Sonderbeauftragen und Globalisierungsgegner Jean Ziegler kann die Weltlandwirtschaft 12 Milliarden Menschen ernähren. Aber der Kapitalismus verhindert, dass dieses Potenzial genutzt wird um alle Menschen satt zu machen. Jeden Tag sterben 100.000 Menschen an Hunger und seinen unmittelbaren Folgen. In den 122 Staaten der sogenannten Dritten Welt, in denen 4,8 der 6,4 Milliarden Menschen leben, steigen die Leichenberge. Seit 1992 hat sich das Welt-Bruttosozialprodukt weltweit verdoppelt und trotzdem wächst die Armut – nicht nur in Afria und Asien sondern auch in Europa. Nach neuesten Zahlen leben in Deutschland 2,5 Millionen Kinder in Armut. Anstatt wie behauptet die unterentwickelte Welt auf das Niveau der Industriestaaten zu bringen, bringt die kapitalistische Globalisierung Dritte-Welt-Verhältnisse in die Industrieländer. Aber überall auf der Welt wachsen Wut und Widerstand. Arbeiter, Bauern, Frauen, Landlose organisieren sich und setzen sich zur Wehr. In Venezuela ist seit 1998 trotz mehrerer Putschversuche die antiimperialistische Regierung Chavez an der Regierung. Es gibt eine neue kämpferische Arbeiterbewegung. Belegschaften haben mehrere Betriebe besetzt und führen die Produktion unter eigener Kontrolle weiter. Der Globalisierung von oben folgt der globale Widerstand von unten. Die Antiglobalisierungsbewegung hat die Parole hervorgebraucht „eine andere Welt ist möglich“. Die Frage für welche Welt kämpfen wir muss positiv beantwortet werden. Meiner Meinung nach kann die Frage der Verteilung nicht von der Frage der Eigentumsverhältnisse über die Produktionsmittel getrennt werden. Die Macht der Konzerne und Banken über die Weltwirtschaft muss beendet werden.

3. Globales Lernen
Globales Lernen ist inzwischen in den Rahmenlehrplänen verankert. Die Umsetzung ist jedoch nach wie vor unzureichend.
3.1. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die in den Rahmenlehrplänen festgeschriebenen Maßnahmen zum Globalen Lernen umzusetzen?

Die systematische Unterfinanzierung und chronische Unterversorgung von Schulen und Unis mit Personal muss gestoppt und umgekehrt werden. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass anders und besser gelehrt und gelernt werden kann. Ich habe allerdings Zweifel daran, dass die Rahmenlehrpläne des Senats in Bezug auf Globalisierung und „globalem Lernen“ die gemeinsamen Interessen und den solidarischen Widerstand der Betroffenen in den Vordergrund stellen.

3.2. Wie kann die nachgewiesene Kompetenz der Nichtregierungsorganisationen beim Thema Globales Lernen noch intensiver genutzt und finanziell gesichert werden?

Durch Kooperation von Schulen mit NRO und Organisationen der Antiglobalisierungsbewegung und durch gemeinsame Projektarbeit und den Aufbau von Patenschaften mit Schulen in anderen Ländern.

4. Faires und nachhaltiges Wirtschaften
Als internationaler Standort ist Berlin an der Förderung der Außenwirtschaftsbeziehungen interessiert. Im Sinne einer globalen Verantwortung für alle Aktivitäten gehören dazu auch die Einhaltung internationaler Sozial- und Umweltstandards, die bislang jedoch nicht als Bedingungen für die Vergabe von Fördermitteln dienen.
Die positiven Wirkungen von Fairem Handel sind erwiesen. Der Bereich der öffentlichen Beschaffung ist von großer Bedeutung für die Verbreitung fair gehandelter Produkte.
4.1. Werden Sie sich für die Verknüpfung der Mittelvergabe der Berliner Außenwirtschaftsförderung mit der Einhaltung international vereinbarter Standards (z.B. ILO-Standards) und freiwilliger Verhaltenskodizes einsetzen?

Ich bin gegen staatliche Mittel für die Berliner Außenwirtschaftsförderung. Das sind versteckte Subventionen an Unternehmer. Dieses Geld fehlt dann bei Schulen, Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen. Dass Berliner Firmen in Standorten in anderen Ländern und bei Importen ILO-Standards und von den Gewerkschaften gesetzte Standards einhalten, muss von Belegschaften und Gewerkschaften durch internationale Zusammenarbeit und gemeinsamen Kampf durchgesetzt werden. Die WASG wird dies solidarisch unterstützen.

4.2. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Senat seine Beschaffungspolitik auf nachhaltige und fair gehandelte Produkte umstellt?

Ja

5. Lokale Agenda 21
In der im Juni 2006 vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossenen Lokalen Agenda 21 wird der Senat aufgefordert, diese als Leitidee seiner künftigen Politik aufzunehmen und die aufgeführten Qualitäts- und Handlungsziele so schnell wie möglich umzusetzen.
5.1. In welcher Form werden Sie sich für diese Ziele einsetzen? Wo sehen Sie Ihre persönlichen inhaltlichen Schwerpunkte?

Die Lokale Agenda 21 taugt genauso wenig wie die Beschlüsse über Nachhaltigkeit des UN-Gipfels in Rio von 1992 und der EU auf die sich die Berliner Agenda bezieht. Wenn sie einige positive Absichten enthalten über Umweltschutz, Gesundheitsprävention, Geschlechtergerechtigkeit sind es nur leere Versprechungen. Die Beschlussfassung des Abgeordnetenhauses über die Agenda 21 sagt z.B. eindeutig: „In Berlin dominiert die prekäre Finanzlage die politische Diskussionen. ..Viele Lösungsansätze für die nachhaltige Zukunft Berlins beruhen auf dem freiwilligen Engagement der Bürger/innnen.“ Dort wo konkrete Ziele benannt werden wie z.B. die Verpflichtung der Wohnungsbaugesellschaften für „altengerechte, generationenübergreifendes Wohnung und Jugendwohngemeinschaften“ oder „die Mietermitwirkung bei den städtischen Wohnungsunternehmen“ wird dies durch die Privatisierung von städtischen Wohnungen torpediert. Und dieser eklatante Gegensatz zwischen Qualitäts-, Handlungszielen und Maßnahmen auf der einen Seite und der realen Politik des SPD/PDS-Senats zieht sich durch die ganze Agenda 21 durch. Das Agenda-Forum produziert nur heiße Luft. Wir werden uns an dieser Veranstaltung weder beteiligen, noch irgendwelche Erwartungen in sie haben. Das erklärte oberste Primat der Herrschenden in Berlin ist die Haushaltskonsolidierung. Das heisst es wird weiter ohne Rücksicht auf Verluste bei der Bildung, im Sozial- und Kultur- und Umweltbereich sowie bei den Personalkosten gekürzt. Es wird weiter privatisiert. Gerade durch Privatisierungen geht eine riesige Einflussmöglichkeit der Allgemeinheit auf eine nachhaltige Entwicklung verloren. Das einzige was daran was ändern kann ist der geballte außerparlamentarische Widerstand. Die WASG wird diesen Widerstand organisieren und das Abgeordnetenhaus als Tribüne dafür nutzen. Wir wünschen uns, dass der Berliner Entwicklungspolitische Ratschlag dabei an unserer Seite steht.

6. Verantwortung für das Erbe der Kolonialzeit
Als alte und neue Hauptstadt hat Berlin vielfältige Verbindungen zur Kolonialzeit, die sich in Straßennamen, gesammelten Kulturgütern und nicht zuletzt im Umgang mit Menschen aus den ehemaligen Kolonien zeigen. Rassismus ist ein verbreitetes Problem in der Stadt. Die Städtepartnerschaft mit Windhuk bietet einen guten Ansatzpunkt, Versöhnungsarbeit mit den ehemaligen deutschen Kolonien zu fördern.
6.1. Welche Maßnahmen und Initiativen im Rahmen der Stadtentwicklung werden Sie unterstützen, um Berlins Verbindungen zur Kolonialzeit transparent zu machen?

Nicht die Berliner Bevölkerung trägt die Verantwortung für den Kolonialismus, sondern die herrschende Klasse und ihre damaligen Vertreter Bismarck und Kaiser Wilhelm und ihre preußische Militärclique. Es ist keine Frage, dass diese grausame Periode der Geschichte in der Hauptstadt Berlin nach wie vor unkritisch zur Schau gestellt wird. Die Stadt strotzt vor Denkmälern aus dieser Zeit und geklauten fremdländischen Kulturgütern. Angefangen von der Siegessäule über unzählige Denkmäler und Straßennamen werden Kriege und Kolonialverbrecher geehrt. Ich betrachte es durchaus als eine Aufgabe der Linken die Geschichte Berlins diametral anders darzustellen als die Bürgerlichen. Wir müssen hierbei vor allem an die Kämpfe der Berliner Arbeiterklasse erinnern. Die Berliner Arbeiterbewegung hat Miliarismus, Kolonialismus und den ersten Weltkrieg bekämpft und Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht als ihre herausragenden Vertreter hervorgebracht. Mit dem Munitionsarbeiterstreik 1916 und weiteren Streiks gegen den Krieg 1917 und schließlich der Novemberrevolution 1918 hatte gerade die Berliner Arbeiterklasse entscheidenden Anteil daran, dass der imperialistischen Weltkrieg zu einer Niederlage für die Herrschenden wurde und die Kontrolle in der Gesellschaft vorübergehend auf die Arbeiter- und Soldatenräte überging. Auf diese Tradition können wir in Berlin stolz sein.

6.2. Welche Aktivitäten schlagen Sie vor, um die Städtepartnerschaft mit Windhuk mit Leben zu füllen?

Ich halte nichts von Städtepartnerschaften, bei denen für Kommunalpolitiker, Sport- und andere Funktionäre steuerfinanzierte Reisen organisiert werden, um sich gegenseitig auf die Schultern zu klopfen. Ich bin dafür zu oppositionellen Gruppen, Gewerkschaftern , den sozialen Bewegungen und der außerparlametarischen Opposition Kontakt aufzunehmen, um den Kampf gegen Arbeitsplatzvernichtung, Sozialabbau, Rassismus und Militarisierung von unten zu internationalisieren. Ein konkreter Ansatzpunkt für eine solche Internationalisierung des Kampfes mit Windhuk oder anderen Partnerstädten könnte es in der Frage der Privatisierung geben. In Namibia wurde z.B. aufgrund des Druck des IWFs bereits 1997 die Wasserversorgung privatisiert. Der Wasserpreis hat sich in den 5 Jahren danach vervierfacht. Wer nicht bezahlen kann, dem wird das Wasser abgestellt. Diese Art von Wasserprivatisierung in Afrika wird auch noch als Entwicklungshilfe propagiert. Die Konzerne, die sich da einkaufen erhalten dafür Kredite von der Weltbank. Weltweit sind die gleichen agierenden Global Player auf der Jagd nach Profiten am Werk. International organisierte Gegenwehr könnte eine enorme Schlagkraft gegen die Privatisierungshaie entwickeln. Internationale Solidarität könnte so als konkreter Gebrauchswert erfahrbar gemacht und das Bewußtsein in der Bevölkerung dafür enorm erhöht werden. Den Aufbau von direkten Kontakten zu Gegnern der Wasserprivatisierung in Windhuk wäre vor diesem Hintergrund ein guter Ansatz und ein Beispiel von Städtepartnerschaft von unten.

Kooperationspartner:
www.wfd.de

Diese Aktion wird gefördert vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED), dem Katholischen Fonds für weltkirchliche und entwicklungsbezogene Öffentlichkeitsarbeit, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Umverteilen! Stiftung für eine solidarische Welt.

Eine Aktion des Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlags (BER e.V.) - info@ber-ev.de