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Entwicklungspolitischer Wahlcheck 2006
 

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Florian Graf, CDU (Tempelhof-Schöneberg)

1. Steuerung der Landesentwicklungspolitik
Das Thema ‚Globale Verantwortung wahrnehmen’ stellt sich in vielen Politikfeldern, insbesondere in den Bereichen Bildung, Migration/ Integration, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft. Eine Koordination findet aber kaum statt. Weiterhin fehlen ein Instrumentarium und die finanziellen Mittel, um diese Aufgaben konsequent umzusetzen.
1.1. Werden Sie sich für die Thematisierung der Entwicklungspolitik im Hauptausschuss und mindestens einmal jährlich im Plenum des Abgeordnetenhauses einsetzen?

Die Sitzungen der Parlamentsgremien folgen den aktuellen Erfordernissen, Entscheidungen treffen zu müssen und das Verwaltungshandeln zu kontrollieren. Wir können nicht voraussehen, wann das Thema Entwicklungspolitik im Hauptausschuss oder im Plenum des Abgeordnetenhauses aus aktuellem Anlass beraten wird. Es finden dort keine Beratungen danach statt, dass ein Thema wieder einmal „dran“ ist. Wir gehen davon aus, dass sich alle Fraktionen wegen der Enge der Sitzungstermine von rund 25 Ausschüssen und dem Plenum weiterhin für Tagesordnungen aussprechen werden, die mit den konkret zu treffenden Entscheidungen zusammenhängen.

1.2. Werden Sie sich für die Einführung einer „Entwicklungsverträglichkeitsprüfung“ einsetzen, um mehr Kohärenz und Transparenz über die entwicklungspolitischen Wirkungen des politischen Handelns in Berlin zu gewährleisten?

Für uns stehen die Bereiche Arbeit, Bildung und Sicherheit im Vordergrund unseres politischen Handelns. An erster Stelle werden wir die politischen Entscheidungen, die zu treffen sind, daran messen müssen, ob Arbeitsplätze für Berlinerinnen und Berliner geschaffen werden. Darüber hinaus ist das desolate Berliner Schulsystem dringend zu reformieren und die immer geringer werdende Innere Sicherheit wieder zu gewährleisten. Als weitere Prioritäten sehen wir den Abgleich politischer Entscheidungen mit umwelt- und familienpolitischen Notwendigkeiten. Da der Umfang von „Verträglichkeitsprüfungen“ naturgemäß begrenzt sein muss, sehen wir bestenfalls im Rahmen von Prüfungen der Umweltverträglichkeit Möglichkeiten, entwicklungspolitische Gesichtspunkte mit zu berücksichtigen.

2. Entwicklungszusammenarbeit und zivilgesellschaftliches Engagement
Nach 1998 ging es finanziell gesehen mit der Berliner Entwicklungspolitik bergab. Das Sinken von Programm- und Projektförderung sowie institutioneller Förderung hängt hauptsächlich mit der Verlagerung mehrerer staatsnaher Entwicklungsorganisationen nach Bonn zusammen. Unter zusätzlichen Mittelkürzungen im Berliner Haushalt leidet aber auch die Informations- und Bildungsarbeit. Dies widerspricht den Erklärungen der Ministerpräsidenten, in denen dieser Bereich stets eine herausragende Stellung eingenommen hat. Bereits 1970 wurde international das Ziel aufgestellt, 0,7% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe einzusetzen. Davon sind die Bundesregierung und das Land Berlin weit entfernt.
2.1. Werden Sie sich für die Einrichtung einer Landesstiftung Entwicklungszusammenarbeit einsetzen, die die entwicklungspolitischen Aktivitäten der Zivilgesellschaft dauerhaft absichert?

Wir sehen derzeit keine Möglichkeit für die Bereitstellung von Stiftungskapital für eine Landesstiftung Entwicklungszusammenarbeit. Seit vielen Jahren bemüht sich die CDU-Fraktion um die Erhöhung des Stiftungskapitals für die Stiftung Naturschutz Berlin, um diese unabhängig von staatlichen Zuschüssen zu machen. Obwohl es dazu in der Vergangenheit immer wieder Zustimmung von den Regierungsparteien SPD und PDS gab, wurde tatsächlich kein Geld zur Verfügung gestellt. Solange nicht einmal eine bestehende Stiftung eine angemessene Kapitalausstattung zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhalten kann, ist es unrealistisch, die Einrichtung einer neuen Stiftung mit einem weitaus größerem Finanzbedarf zu verfolgen. Da der SPD-PDS-Senat in 5 Jahren Regierungszeit die Schuldenlast Berlins um 20 Milliarden Euro erhöht hat, dürfte auch im Zusammenhang der Klage in Karlsruhe und den Vorgaben des Berliner Verfassungsgerichts für die Aufstellung des Landeshaushaltes keinen Raum mehr für kostenträchtige Initiativen sein, die sich nicht aus der Verfassung des Landes Berlins ergeben.

2.2. Setzen Sie sich für die Formulierung eines Stufenplanes ein, mit dem die Mittel für Entwicklungspolitik auf Landesebene
bis zum Jahr 2015 schrittweise auf 0,7% des Bruttonlandeseinkommens gesteigert werden sollen?

Die Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit müsste wie jede andere Erhöhung eines jeden anderen Etatpostens durch weitere Schulden finanziert werden. Dies halten wir unter dem Gesichtspunkt einer nachhaltigen Haushaltspolitik und der Überschuldung des Landes Berlins für nicht verantwortbar. Eine Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit halten wir daher in den nächsten Jahren für ausgeschlossen.

3. Globales Lernen
Globales Lernen ist inzwischen in den Rahmenlehrplänen verankert. Die Umsetzung ist jedoch nach wie vor unzureichend.
3.1. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die in den Rahmenlehrplänen festgeschriebenen Maßnahmen zum Globalen Lernen umzusetzen?

Das Instrument der Rahmenlehrpläne ist bewusst vom SPD-PDS-Senat gewählt worden, um den Lehrerinnen und Lehrern eine größtmögliche Freiheit bei der Auswahl ihrer Unterrichtsinhalte einzuräumen. Wir hätten gerne eine größere Verbindlichkeit der Lehrpläne erreicht. Bei der von Rot-Rot geschaffenen Ausgangslage sind daher keine Maßnahmen zur Umsetzung von Inhalten der Rahmenlehrpläne zu ergreifen, weil die Auswahlmöglichkeit ja gerade das Charakteristikum der Rahmenlehrpläne ist. Nur eine grundsätzliche Änderung in der Schulpolitik des Landes Berlins könnte an dieser Stelle für eine größere Verbindlichkeit sorgen.

3.2. Wie kann die nachgewiesene Kompetenz der Nichtregierungsorganisationen beim Thema Globales Lernen noch intensiver genutzt und finanziell gesichert werden?

Fachleute auf dem Gebiet des globalen Lernens sind die Nichtregierungsorganisationen. Die Schulen sind gehalten, mit externen Organisationen zusammenzuarbeiten und können sich diese frei auswählen. Insofern erscheint es sinnvoll, dass die NGO’s den Berliner Schulen Angebote für eine Zusammenarbeit unterbreiten und verdeutlichen, was sie an Bildungs- und Informationsangeboten bereitstellen. Die Schulen ihrerseits sind autonom in ihrer Auswahlentscheidung und hinsichtlich der Prioritäten, mit welchen externen Einrichtungen sie zusammenarbeiten. Es kann nicht Aufgabe des Landesparlamentes sein, das pädagogische Personal und die schulischen Mitbestimmungsgremien hinsichtlich ihrer Entscheidungen über Kooperationsbeziehungen zu bevormunden.

4. Faires und nachhaltiges Wirtschaften
Als internationaler Standort ist Berlin an der Förderung der Außenwirtschaftsbeziehungen interessiert. Im Sinne einer globalen Verantwortung für alle Aktivitäten gehören dazu auch die Einhaltung internationaler Sozial- und Umweltstandards, die bislang jedoch nicht als Bedingungen für die Vergabe von Fördermitteln dienen.
Die positiven Wirkungen von Fairem Handel sind erwiesen. Der Bereich der öffentlichen Beschaffung ist von großer Bedeutung für die Verbreitung fair gehandelter Produkte.
4.1. Werden Sie sich für die Verknüpfung der Mittelvergabe der Berliner Außenwirtschaftsförderung mit der Einhaltung international vereinbarter Standards (z.B. ILO-Standards) und freiwilliger Verhaltenskodizes einsetzen?

Ziel der Berliner Außenwirtschaftsförderung ist es, den Wirtschaftsstandort Berlin international zu profilieren, Investoren zu gewinnen, Exportinitiativen der Berliner Wirtschaft zu unterstützen, Marktanteile im Ausland zu erschließen oder zu sichern und dadurch Arbeitsplätze in der Stadt zu halten. Dazu werden Reisen, Kooperationsbörsen und Präsentationen ebenso unterstützt wie Messebeteiligungen. Nach unserer Kenntnis ist diese internationale Geschäftsanbahnung sehr kleinteilig und aufwändig, da landesseitig gerade Unternehmen mit wenig Erfahrungen in diesem Bereich unterstützt werden sollen. Diese noch mit zusätzlichen Forderungen zu belasten, halten wir für kontraproduktiv. Es würde Berliner Unternehmen von der Anbahnung internationaler Geschäftskontakte abhalten und wäre somit für den Berliner Arbeitsmarkt nachteilig.

4.2. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Senat seine Beschaffungspolitik auf nachhaltige und fair gehandelte Produkte umstellt?

Als Voraussetzung für eine stärkere Beschaffung nachhaltig und fair gehandelter Produkte ist der in der Regel bestehende Widerspruch zu den Vorgaben der Landeshaushaltsordnung hinsichtlich einer wirtschaftlichen und preisgünstigen Beschaffung aufzulösen. Da fair gehandelte Produkte oft teurer als andere sind, kann das Dilemma für die in der Beschaffung arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes zwischen dem Befolgen einer politischen Forderung und den geltenden Gesetzen nur durch entsprechende Änderung der Rechtslage aufgelöst werden. Inwieweit dies mit den allgemeinen Forderungen nach einer Haushaltssanierung zu vereinbaren ist, muss im Einzelfall geklärt werden.

5. Lokale Agenda 21
In der im Juni 2006 vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossenen Lokalen Agenda 21 wird der Senat aufgefordert, diese als Leitidee seiner künftigen Politik aufzunehmen und die aufgeführten Qualitäts- und Handlungsziele so schnell wie möglich umzusetzen.
5.1. In welcher Form werden Sie sich für diese Ziele einsetzen? Wo sehen Sie Ihre persönlichen inhaltlichen Schwerpunkte?

Die lediglich von einer Mehrheit des Berliner Abgeordnetenhauses beschlossene Lokale Agenda 21 basiert auf einem Parteienantrag von SPD und PDS, der kontrovers diskutiert wurde und nur noch in Teilen mit den von den NGO’s erarbeiteten Entwürfen übereinstimmt. Ursprünglich war auf der Basis eines CDU-Antrages 1999 beschlossen worden, dass das Abgeordnetenhaus eine auf den NGO-Vorlagen basierende Beschlussempfehlung des Senats erhalten soll. Der Senat hat jedoch eine Bearbeitung und Beschlussfassung verweigert, so dass die SPD-PDS-Landesregierung bis heute keinen Agenda-Entwurf für Berlin vorgelegt hat. Der Parteienbeschluss des Abgeordnetenhauses dagegen ist für eine Berliner Landesregierung nur so lange von Bedeutung, wie SPD und PDS über eine Parlamentsmehrheit verfügen.

6. Verantwortung für das Erbe der Kolonialzeit
Als alte und neue Hauptstadt hat Berlin vielfältige Verbindungen zur Kolonialzeit, die sich in Straßennamen, gesammelten Kulturgütern und nicht zuletzt im Umgang mit Menschen aus den ehemaligen Kolonien zeigen. Rassismus ist ein verbreitetes Problem in der Stadt. Die Städtepartnerschaft mit Windhuk bietet einen guten Ansatzpunkt, Versöhnungsarbeit mit den ehemaligen deutschen Kolonien zu fördern.

6.1. Welche Maßnahmen und Initiativen im Rahmen der Stadtentwicklung werden Sie unterstützen, um Berlins Verbindungen zur Kolonialzeit transparent zu machen?

Bisher sind Maßnahmen und Initiativen im Zusammenspiel von Stadtentwicklung und deutscher Kolonialzeit nicht mit der Bitte um Unterstützung an uns herangetragen worden. Da es sich bei diesem Komplex um ein sehr sensibles politisches Themenfeld handelt, sind nach unserer Auffassung regelmäßig Einzelfallentscheidungen notwendig. Dabei werden auch viele Entscheidungen auf anderen Ebenen getroffen: Die Behandlung von Kulturgütern regelt sich sehr häufig nach internationalen Vereinbarungen oder Verträgen, die die Bundesregierung schließt; der Umgang mit Asylbewerbern und Einwanderern ist bundesrechtlich geregelt.

6.2. Welche Aktivitäten schlagen Sie vor, um die Städtepartnerschaft mit Windhuk mit Leben zu füllen?
Das Berliner Abgeordnetenhaus war in den letzten Jahren nur sehr marginal an der Pflege der Städtepartnerschaften Berlins beteiligt. Wir hoffen, dass eine neue Landesregierung ihre Haltung dazu ändert, so dass das Abgeordnetenhaus in die Pflege der Städtepartnerschaften mit eingebunden wird und sich dann auch inhaltlich einbringen kann.

Kooperationspartner:
www.wfd.de

Diese Aktion wird gefördert vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED), dem Katholischen Fonds für weltkirchliche und entwicklungsbezogene Öffentlichkeitsarbeit, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Umverteilen! Stiftung für eine solidarische Welt.

Eine Aktion des Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlags (BER e.V.) - info@ber-ev.de