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Entwicklungspolitischer Wahlcheck 2006
 

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Evrim Baba, PDS (Lichtenberg)

1. Steuerung der Landesentwicklungspolitik
Das Thema ‚Globale Verantwortung wahrnehmen’ stellt sich in vielen Politikfeldern, insbesondere in den Bereichen Bildung, Migration/ Integration, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft. Eine Koordination findet aber kaum statt. Weiterhin fehlen ein Instrumentarium und die finanziellen Mittel, um diese Aufgaben konsequent umzusetzen.
1.1. Werden Sie sich für die Thematisierung der Entwicklungspolitik im Hauptausschuss und mindestens einmal jährlich im Plenum des Abgeordnetenhauses einsetzen?

Globale Verantwortung auf lokaler Ebene kann nur wahrgenommen werden, wenn sie mit der Kenntnisnahme von Ursache und Wirkung von Herrschaftsstrukturen, von Interdependenzen zwischen Armut und Bevölkerungswachstum, Verschuldung und Weltwirtschaftssystem, Flucht und Migration sowie ökologischen und sozialen Katastrophen einhergeht. Bereits die Erkenntnis, dass es im Wesentlichen die Industriestaaten sind, die im großen Maßstab die ökonomischen, sozialen und ökologischen Kosten ihres oligarchischen Entwicklungsmodells in die Länder des Trikont exportieren und damit die Kluft zwischen den ökonomischen Zentren und Peripherie vertiefen, wird gern heruntergespielt bzw. ignoriert und verschwiegen. Die lokale wie auch globale Verantwortlichkeit an der daraus resultierenden Ungerechtigkeit wird in Verdrehung der tatsächlichen Entwicklung oft nicht als selbst (mit)verursachte Folge dargestellt, sondern den Benachteiligten und Opfern weitgehend angelastet und deren „Unfähigkeit“ und „Unwilligkeit“ zugeschrieben.
Deshalb halte ich es für notwendig, das Bewusstsein von umwelt- und entwicklungspolitischen Zusammenhängen zu schärfen und einen kritischen Blick auf das derzeitige Entwicklungsparadigma mit seinen Produktions- und Lebensweisen in den Industrieländern zu werfen, angefangen von der industriellen Produktion, bis hin zum privaten Konsum, von der Art und Weise, wie wir arbeiten bis zu der Art und Weise, wie wir unsere Freizeit gestalten, der entscheidend für die gegenwärtige soziale und ökologische Krise dieser Welt verantwortlich ist. Hierbei spielt die in der Kulturhoheit Berlins liegende Möglichkeit der Einflussnahme mittels Bildung und Wissenschaft eine wesentliche Rolle für einen Bewusstseinsbildung, wie die Verankerung der Thematik von entwicklungspolitischen Inhalten in den Rahmenplänen und Curricula der Berliner Schulen zeigt.
Eine entsprechende Verankerung des Themas sowohl in der parlamentarischen als auch öffentlichen Wahrnehmung könnte sich immer im Zusammenhang mit größeren Ereignissen anbieten. Im Jahr 2007 bspw. im Kontext des Weltsozialforums vom 20.-25. Januar 2006 in Nairobi / Kenia sowie des G8-Gipfels, des Treffens der Staats- und Regierungschefs der USA, Kanadas, Japans, Großbritanniens, Frankreichs, Italiens, Deutschlands und Russlands in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) von 8.-10. Juni 2007. Dabei sollten neben Forderungen an die Bundesebene auch der landeseigene Beitrag an konkreten Projekten und Maßnahmen diskutiert werden. Eine Thematisierung im Haushaltsausschuss macht vermutlich eher bezogen auf die Finanzierung konkreter Maßnahmen und Projekte Sinn.
Darüber hinaus wird es auch weiterhin in den Fachausschüssen je nach Antrag bzw. Themengegenstand (z.B. Globales Lernen im Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport) entsprechende Debatten geben.


1.2. Werden Sie sich für die Einführung einer „Entwicklungsverträglichkeitsprüfung“ einsetzen, um mehr Kohärenz und Transparenz über die entwicklungspolitischen Wirkungen des politischen Handelns in Berlin zu gewährleisten?

Eine als Querschnittsaufgabe verstandene Entwicklungszusammenarbeit (EZ) benötigt selbstredend die Kohärenz der Politikfelder, wie dies im Rahmen des Agendaprozess in Berlin versucht wird. In Berlin wird diese Koordinierungsfunktion von der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit (LEZ) wahrgenommen. Entwicklungspolitische Maßnahmen (u. a. Beginn und Veränderung von entwicklungspolitischen Programmen und Projekten) bedürfen der Mitzeichnung durch die LEZ. Ziel ist es, dass diese Maßnahmen in Übereinstimmung mit den Entwicklungspolitischen Leitlinien erfolgen, inhaltlich dem aktuellen Stand der Entwicklungspolitik entsprechen und aufeinander abzustimmen. Gestärkt werden muss allerdings die Befugnis, im Falle gravierender Verletzungen entwicklungspolitischer Ziele, Einspruch zu erheben, Akteneinsicht nehmen zu können, was insbesondere in Konfliktfällen zwischen einzelnen Senatsverwaltungen von Bedeutung ist. Sie sollte zu einer Kontrollinstanz bei wichtigen wirtschafts-, stadtentwicklungs-, umwelt-, flüchtlings- und bildungspolitischen Entscheidungen werden.
Um die Arbeit der LEZ bzw. den Erfolg entwicklungspolitischer Maßnahmen tatsächlich evaluieren zu können, bedarf es eines regelmäßigen Berichts, in dem ein verbindliches und ausdifferenziertes mittelfristiges Arbeitsprogramm enthalten und konkrete Ziele, die dazugehörigen Indikatoren und Maßnahmen festlegt sind. Dieses Arbeitsprogramm könnte in Zusammenarbeit mit dem Referentenausschuss „Entwicklungszusammenarbeit“ und dem Beirat „Entwicklungszusammenarbeit“ erarbeitet werden. So wäre auch eine weitgehende Transparenz in der Planung, Durchführung und Kontrolle möglich.


2. Entwicklungszusammenarbeit und zivilgesellschaftliches Engagement
Nach 1998 ging es finanziell gesehen mit der Berliner Entwicklungspolitik bergab. Das Sinken von Programm- und Projektförderung sowie institutioneller Förderung hängt hauptsächlich mit der Verlagerung mehrerer staatsnaher Entwicklungsorganisationen nach Bonn zusammen. Unter zusätzlichen Mittelkürzungen im Berliner Haushalt leidet aber auch die Informations- und Bildungsarbeit. Dies widerspricht den Erklärungen der Ministerpräsidenten, in denen dieser Bereich stets eine herausragende Stellung eingenommen hat.
Bereits 1970 wurde international das Ziel aufgestellt, 0,7% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe einzusetzen. Davon sind die Bundesregierung und das Land Berlin weit entfernt.
2.1. Werden Sie sich für die Einrichtung einer Landesstiftung Entwicklungszusammenarbeit einsetzen, die die entwicklungspolitischen Aktivitäten der Zivilgesellschaft dauerhaft absichert?

Tatsächlich spricht einiges für die Stiftungslösung, um die Maßnahmen zur Förderung von Projekten, Bildungs- und Informationsarbeit in der Entwicklungspolitik auf diese Weise dahingehend zu verstetigen, dass sie aus den jährlichen Haushaltsberatungen sowie (partei)politischen Unwägbarkeiten herausgenommen werden. Als schwierig erweist sich die Umsetzung dieses Vorschlags, weil ein ausreichend hohes Stiftungskapital Voraussetzung ist. Die Bereitstellung öffentlicher Gelder als Stiftungskapital ist im Moment wenig aussichtsreich. Trotzdem sollte weiterhin, auch wenn die derzeitigen 250.000 Euro in den Jahren 2006/2007 nicht gefährdet sind, über Alternativfinanzierungen zur Errichtung einer „Berliner Stiftung Entwicklung“, möglicherweise durch die Bereitstellung des Stiftungskapitals aus Lotteriemitteln (wie u.a. in NRW und Niedersachsen) nachgedacht werden.


2.2. Setzen Sie sich für die Formulierung eines Stufenplanes ein, mit dem die Mittel für Entwicklungspolitik auf Landesebene
bis zum Jahr 2015 schrittweise auf 0,7% des Bruttonlandeseinkommens gesteigert werden sollen?

Ausgehend von einem BIP Berlins im Jahr 2005 von ca. 80.000 Millionen Euro würden 0,7% ca. 560 Millionen Euro bedeuten. Selbst bezogen auf 0,7% des Landeshaushaltes hieße dies bei einem Ausgabenvolumen für 2006 und 2007 von jeweils ca. 20.000 Millionen Euro, die Bereitstellung von etwa 140 Millionen jährlich für den Bereich Entwicklungspolitik. Beides ist derzeit nicht vorstellbar. Hierzu gibt es allerdings auch keinen Diskussionsstand, da eine solche Forderung an die Bundesländer im Allgemeinen und Berlin im Konkreten bisher nie herangetragen und entsprechend debattiert wurde. Im Zusammenhang mit einer solchen Forderung, wäre es interessant zu wissen, ob und inwieweit die unter 2.1. geforderte Stiftung trotzdem oder ersatzweise etc. eingerichtet werden soll. Darüber hinaus wäre zu diskutieren, welche Aufgaben und Maßnahmen nach Auffassung der entwicklungspolitischen NRO auf Landesebene mit einem solchen Ausgabenvolumen finanziert bzw. gefördert werden sollten. Genau hier wird es eben wie auf der Bundesebene sehr unterschiedliche Meinungen geben, wie im Zusammenhang mit der angeblichen Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit um mehr als 300 Millionen Euro (+ 8,2 %) im Juli diesen Jahres, die vor allem durch die Einrechnung der Tsunami-Flutopferhilfe zustande kam.

3. Globales Lernen
Globales Lernen ist inzwischen in den Rahmenlehrplänen verankert. Die Umsetzung ist jedoch nach wie vor unzureichend.
3.1. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die in den Rahmenlehrplänen festgeschriebenen Maßnahmen zum Globalen Lernen umzusetzen?

3.2. Wie kann die nachgewiesene Kompetenz der Nichtregierungsorganisationen beim Thema Globales Lernen noch intensiver genutzt und finanziell gesichert werden?

Ich bin der Auffassung, dass Globalem Lernen noch stärkeres Gewicht beigemessen werden sollte, auch wenn es einen wichtigen Schwerpunkt der Arbeit der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit Berlin bildet. Die LEZ fördert das Entwicklungspolitische Bildungs- und Informationszentrum (EPIZ), einer wichtigen Anlaufstelle für interessierte Berliner Schüler/innen, Lehrer/innen etc.
Außerdem unterstützt die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport die entwicklungspolitische Bildungsarbeit durch mittels einer Lehrerin beim Deutschen Entwicklungsdienst (DED), die als Bildungsreferentin im Rahmen des DED-Schulprogramms Ansprechpartnerin für Lehrer/innen und Schüler/innen ist. Sie führt verdienstvollerweise themengebundene Veranstaltungen für Schulklassen aller Altersstufen durch und gestaltet qualifizierte Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer/innen.
Die Außenstelle des World University Service (WUS) ist in den Räumen des EPIZ angesiedelt. Mit diesem Schritt werden die Bemühungen unterstrichen, zur Vernetzung der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit auf Landes- sowie auf Bundesebene beizutragen.
Natürlich ist dies längst nicht ausreichend. Notwendig wäre der Ausbau und die Erweiterung des Angebots und dessen stärkere Verankerung vor allem in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern als auch deren Weiterbildung, damit diese dann entsprechende Unterrichtskonzepte und die neuen Rahmenpläne in den Schulen umsetzen können. Wesentlich stärker sollten die entwicklungspolitischen NRO mit ihrer Fachkompetenz eingebunden werden. Dies könnte über Rahmenvereinbarungen geschehen, wie in Niedersachsen. Dort ist die Zusammenarbeit von Kultusministerium und dem Verband Entwicklungspolitik vereinbart worden, deren Ziel es ist, die Durchführung von außerunterrichtlichen Angeboten in den Bereichen des Globalen Lernens und der Bildung für nachhaltige Entwicklung zu erleichtern und zu intensivieren. Eine solche Rahmenvereinbarung könnte ich mir auch zwischen dem Bildungssenat und dem BER vorstellen.


4. Faires und nachhaltiges Wirtschaften
Als internationaler Standort ist Berlin an der Förderung der Außenwirtschaftsbeziehungen interessiert. Im Sinne einer globalen Verantwortung für alle Aktivitäten gehören dazu auch die Einhaltung internationaler Sozial- und Umweltstandards, die bislang jedoch nicht als Bedingungen für die Vergabe von Fördermitteln dienen.
Die positiven Wirkungen von Fairem Handel sind erwiesen. Der Bereich der öffentlichen Beschaffung ist von großer Bedeutung für die Verbreitung fair gehandelter Produkte.
4.1. Werden Sie sich für die Verknüpfung der Mittelvergabe der Berliner Außenwirtschaftsförderung mit der Einhaltung international vereinbarter Standards (z.B. ILO-Standards) und freiwilliger Verhaltenskodizes einsetzen?
4.2. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Senat seine Beschaffungspolitik auf nachhaltige und fair gehandelte Produkte umstellt?

Die Senatsverwaltung für Wirtschaft sieht die Aufgabe des Landes Berlin in ihrem Bereich darin, kleine und mittlere Unternehmen – insbesondere aus den Kompetenzfeldern der Berliner Wirtschaftspolitik – bei der Erschließung neuer Märkte im Ausland zu unterstützen. Hierbei werden neben Landesmitteln auch EU-Fördermittel aus dem EFRE im Rahmen des Außenwirtschaftsförderprogramms „Neue Märkte erschließen“ genutzt. Dass dabei nur Unternehmen Fördermittel und Zuwendungen erhalten, die sich an international vereinbarte Standards, die die Bundesrepublik anerkannt hat, halte ich für selbstverständlich. Übrigens wurde dies auch noch einmal im Beschluss des Abgeordnetenhauses zur Lokalen Agenda 21 Berlin vom 8. Juni 2006 festgehalten: „Dort, wo Entwicklungszusammenarbeit und internationale wirtschaftliche Kooperationen Berliner öffentlicher und privater Akteure stattfinden, sollen die internationalen ökonomischen, ökologischen und sozial-kulturellen Standards eingehalten werden (Standards der Vereinten Nationen).“
Berlin unterstützt über derartige internationale Vereinbarungen hinaus aber auch die Kampagne \"Fairer Handel\", wie vom Abgeordnetenhaus 2002 beschlossen wurde. Mit Sicherheit gibt es noch reichlich Entwicklungspotential beim Absatz fair gehandelter Produkte. In einer Sparte jedenfalls ist es auch dank der Finanzierung seitens des Senats gelungen, einen Schritt voran zu kommen. Das betrifft die Einführung eines fair gehandelten Berlinkaffees. Die Berliner Bohne ist nun seit dem 1. Juni in Berliner Weltläden, in Berliner Filialen von Kaiser´s Tengelmann und weiteren Läden erhältlich. Bereits Ende Juli wurde das 4000ste Päckchen Berliner Bohne verkauft!
Allerdings wird sich auch in Berlin nach wie vor mit der Aufnahme von sozialen Mindeststandards schwer getan. Immer wieder werden Argumente eingeführt, die auf angebliche höhere Kosten oder rechtliche Bedenken hinsichtlich „vergabefremder“ Kriterien verweisen. Da gibt es noch viel Aufklärungsarbeit auch in meiner Fraktion und im Senat zu leisten. Ich vertrete in dieser Frage den Standpunkt von TERRE DES FEMMES, dass der Anteil an den Lohnkosten so gering ist, dass sie für den Endpreis kaum ins Gewicht fallen. Auch rechtlich gibt es aus meiner Sicht nichts, was gegen eine Beschaffungspolitik spricht, die soziale Mindeststandards zur Grundlage hat. Ausdrücklich unterstütze ich die Kampagne für ‚Saubere’ Kleidung. Dabei geht es mir neben der Aufklärung über Arbeitsrechtsverletzungen insbesondere in der Bekleidungsindustrie in den Billiglohnländern, sondern auch darum, bei Ausschreibungen/Beschaffungen (Dienstkleidung der Feuerwehr, Polizei etc.) soziale Standards nach dem internationalen Arbeitsrecht einzuhalten. Die Anbieter sollen entsprechende Selbstverpflichtungen abgeben. Hier kann Berlin den Erfahrungsaustausch mit Düsseldorf führen. Auch München und Hamburg bieten sich da an. Die Evangelische Akademie Meißen möchte nach meiner Kenntnis innerhalb eines Verbundprojektes mit anderen Evangelischen Akademien in der Bundesrepublik das Thema Öffentliche Beschaffung lokal in Dresden und Leipzig auf den Weg bringen. Zu überlegen ist, ob und inwieweit sich Berlin nicht mit einbinden kann und will.
Natürlich ist dies ein Prozess, der nicht von heute auf morgen stattfinden wir. Leider. Das liegt natürlich an den vielen Widerständen, die es zu überwinden gilt. In einem Forum könnte ja möglicherweise ein erster Schritt getan werden. In diesem Forum sollten sich Vertreter/innen von Senat (LEZ usw.), Bezirksämtern, Unternehmen bzw. Unternehmensverbänden, NROs, Parteien und Gewerkschaften über zu vereinbarende Kriterien von sozialen Mindestanforderungen verständigen.

5. Lokale Agenda 21
In der im Juni 2006 vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossenen Lokalen Agenda 21 wird der Senat aufgefordert, diese als Leitidee seiner künftigen Politik aufzunehmen und die aufgeführten Qualitäts- und Handlungsziele so schnell wie möglich umzusetzen.
5.1. In welcher Form werden Sie sich für diese Ziele einsetzen? Wo sehen Sie Ihre persönlichen inhaltlichen Schwerpunkte?

Nun nach jahrelangen Diskussionen ist es gelungen, am 8. Juni die \"Berliner Lokale Agenda21\". Durch das Abgeordnetenhaus von Berlin zu verabschieden. Tatsächlich war dies nur möglich, in dem Kompromisse eingegangen wurden. Ob das Glas als halb voll oder halb leer betrachtet wird, bleibt letztlich je nach Standpunkt verschieden. Gut ist sicher, dass die Agenda Problemaufrisse, Qualitäts- und Handlungsziele sowie Maßnahmen, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollen beinhaltet. Festgelegt wurde, dass der aktuelle Stand der in den Handlungszielen enthaltenen Indikatoren zweijährlich dokumentiert und veröffentlicht wird. In mindestens fünfjährigen Abständen, jeweils zur Mitte einer Legislaturperiode, soll der Senat über die Umsetzung der Maßnahmen, Hemmnisse und geplanten Maßnahmen berichten, erstmalig bis zum 30.06.2009.
Natürlich ist über die Weiterentwicklung der Agenda zu beraten. Hierzu sollten eine Bilanz über die Fortschritte und Hemmnisse gezogen sowie die Zielstellungen weiterentwickelt werden. Das bedeutet, neben den vorhandenen Handlungszielen weitere zu entwickeln und mit Maßnahmen zu untersetzen. Schwerpunktmäßig werde ich mich mit Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und die Umsetzung des Gender-Mainstreaming im Rahmen der Agenda 21 betreffen. Ich werde mich allerdings in der nächsten Legislaturperiode auch den Themen widmen, die zumindest unmittelbar mit Entwicklungspolitik zu tun haben.


6. Verantwortung für das Erbe der Kolonialzeit
Als alte und neue Hauptstadt hat Berlin vielfältige Verbindungen zur Kolonialzeit, die sich in Straßennamen, gesammelten Kulturgütern und nicht zuletzt im Umgang mit Menschen aus den ehemaligen Kolonien zeigen. Rassismus ist ein verbreitetes Problem in der Stadt. Die Städtepartnerschaft mit Windhuk bietet einen guten Ansatzpunkt, Versöhnungsarbeit mit den ehemaligen deutschen Kolonien zu fördern.
6.1. Welche Maßnahmen und Initiativen im Rahmen der Stadtentwicklung werden Sie unterstützen, um Berlins Verbindungen zur Kolonialzeit transparent zu machen?
6.2. Welche Aktivitäten schlagen Sie vor, um die Städtepartnerschaft mit Windhuk mit Leben zu füllen?

Tatsächlich gibt es in Berlin noch viele Spuren, die an die deutsche Kolonialzeit erinnern. Ich begrüße das Engagement des BER sehr, diese Spuren mittels Stadtrundgängen sichtbar zu machen und entsprechende Orte aufzusuchen, an denen beispielhaft über die deutsche Kolonialgeschichte und deren Folgen und Auswirkungen bis heute informiert wird. Mit den Bezirken könnte überlegt werden, ob und inwieweit diese durch eine einheitliche Serie von Informationstafeln an bestimmten Straßen, Gebäuden und Orten zu „Berlins kolonialem Erbe“ bereit sind, die Auseinandersetzung und das Bewusstsein für das koloniale Erbe vor Ort zu stärken. Bei einer solchen Diskussion über geeignete Straßen, Gebäude und Orte kann es sich auch herausstellen, dass erklärende Infotafeln eher nicht ausreichend sind, sondern eine Umbenennung favorisiert werden sollte. Dies ist aber ein Diskussionsprozess, der im Wesentlichen mit den Bezirken geführt werden muss, in deren Zuständigkeit diese Frage liegt. Möglicherweise wird sich auch auf ein Ort geeinigt, an bzw. in dem eine kritische museale, geschichtswissenschaftliche und künstlerische Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte und der Rolle Berlins als damalige Reichshauptstadt stattfinden kann.
Im Rahmen des Themas Globales Lernen ist auch das Verständnis heutiger Welthandelsbeziehungen und der kolonialen Vergangenheit einzubeziehen. Deshalb sollten auch die Schulen an der Diskussion über die Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe eingebunden werden, um neue Möglichkeiten, sich mit dem Thema Kolonialgeschichte zu befassen zu entwickeln. Zu prüfen ist, in wieweit es die Unterrichtskonzepte und –materialien ermöglichen, eine Auseinandersetzung mit allen Aspekten des kolonialen Erbes interdisziplinär im Erdkunde-, Politik- und Geschichtsunterricht zu führen.
Die Nutzung der Ausstellung „100 Jahre deutscher Rassismus“ der „Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Köln e.V.“ zu der in Schulen Begleitveranstaltungen zu den Themen der Ausstellung und darüber hinaus durchgeführt werden könnte, z.B. zu „Alltäglicher Rassismus“ und „Ungerechter Welthandel“ wäre auch überlegenswert.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass es sinnvoll wäre, eine Fachgruppe unter Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern der Botschaften von Namibia, Togo, Kamerun, Tansania, Ruanda und Burundi über die Frage einer angemessenen bildungspolitischen Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte in Berlin einzuberufen. Darin könnten auch konkrete gemeinsame Projekte erörtert werden.
Bezogen auf die Städtepartnerschaft Berlins mit Windhoek, halte ich es für wichtig, dass hier umgehend seitens des Senats der Kontakt mit dem neuen Botschafter der Republik Namibia gesucht wird, um die konkretere Ausgestaltung der Städtepartnerschaft zu besprechen.

Kooperationspartner:
www.wfd.de

Diese Aktion wird gefördert vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED), dem Katholischen Fonds für weltkirchliche und entwicklungsbezogene Öffentlichkeitsarbeit, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Umverteilen! Stiftung für eine solidarische Welt.

Eine Aktion des Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlags (BER e.V.) - info@ber-ev.de